Bed & Breakfast
von Dr. Dietmar Schuth
Es war ein Montag im Oktober 2013, als wir uns im Atelier von Susanne Kamps erstmals in Düsseldorf trafen. Der Maler Matthias Brock, den wir unlängst im Kunstverein Schwetzingen zeigten, hatte mich auf seine Kollegin aufmerksam gemacht. Beide hatten zusammen in Münster bei Professor Kuhna Malerei studiert. Mir kam diese Offerte als Kurator gerade recht, weil ich dringend ein Zeitfenster im Januar 2014 besetzen musste. So fuhr ich denn an jenem verregneten Herbsttag etwas hektisch mit dem Auto auf endlos grauen Autobahnen nach Norden, doch angekommen bin ich in Südfrankreich. Plötzlich schien die Sonne wieder, die Blumen im Garten waren wieder frisch, der Sommer war zurück, und alle Hektik war verflogen. Es gab Kaffee und Gebäck oder waren es doch ein Pastis mit Oliven? Ich weiß es nicht mehr so genau, denn die Bilder der Susanne Kamps hatten mich vollkommen verzaubert. Erinnerungen an eigene Reisen in den Süden Frankreichs wie auch an die unlängst für den Kunstverein durchgeführte Studienreise an die Côte d’Azur kamen mir wieder in den Sinn: Nizza mit seiner Promenade des Anglais, die Chapelle du rosaire von Matisse und vieles andere mehr.
Susanne Kamps arbeitet dort, wo andere Menschen Urlaub machen. Seit ihrem Meisterbrief im Münster 2001 zieht es sie immer wieder dorthin, wo schon so viele Maler der klassischen Moderne eine neue Heimat fanden. Die Rede ist von den Fauvisten, von Henri Matisse, André Derain, Raoul Dufy, Maurice de Vlaminck oder Georges Braque. Alle verließen sie das graue Paris wie schon die Postimpressionisten Van Gogh, Gauguin oder Cezannes, um das Licht und die Farben der südlichen Sonne zu suchen. Das geschah so um 1905 in Nizza, Saint Tropez oder Collioure an der Côte d’Azur, als sich eine neue Malergeneration völlig vom akademischen wie auch impressionistischen Malstil distanzierte und eine neue Kunst erfand. Neu war der gänzliche Verzicht auf ein zeichnerisches Disegno und die perspektivische Konstruktion eines Bildraumes. Man ging mit den neu entwickelten Tubenfarben direkt auf die Leinwand – a la prima – und konnte so ganz unmittelbar und spontan mit Farbe umgehen. Diese wurde in der Regel nicht gemischt oder schattiert oder pointilistisch aufgetupft, sondern in kräftigen reinen Farben aufgetragen. So entstand eine intensives und kontrastreiches Kolorit, das die Fläche eines Bildes dank der Farbenperspektive in einen suggestiven Raum zu verwandeln wusste. Dieser Raum sollte jedoch primär keine Wirklichkeit abbilden, wie es die Malerei bisher in den Genres Porträt, Landschaft, Interieur oder Stillleben unternommen hatte. Stattdessen wurde ein subjektiver Wahrnehmungsraum inszeniert, in dem nicht die realistischen Motive, sondern die Farbe an sich mit ihrer emotionalen Kraft den Ton angab.
Vieles ließe sich noch zu diesem damals wahrhaft anarchistischen Kunstkonzept sagen. Doch interessanter ist es zu fragen, warum eine Malerin fast genau 100 Jahre später malt wie die Fauves. Oft schon musste sich Susanne Kamps als Epigonin bezeichnen lassen, doch die seit der Postmoderne so gerne tot gesagte Malerei kann nichts Neues mehr erfinden und muss sich mit jedem Pinselstrich vergleichen lassen. Und dabei ist der Fauvismus noch eine sehr originelle Reminiszenz, denkt man an die Neuen Wilden, die dem deutschen Expressionismus verpflichtet waren. Susanne Kamps hingegen hat als Malerin eine französische Identität gefunden. Ihre Kunst ist durchaus dekorativ, ein Wort, das nur bei uns, aber nicht in Frankreich etwas kritisch betrachtet wird. Sie bestreitet keine Theorie oder Ideologie. Sie verwirklicht ein ästhetisches Konzept und folgt dabei letztlich dem Credo von Henry Matisse, Kunst als Ausdruck einer Lebensfreude zu verstehen. Auf ihren Reisen, in letzter Zeit auch nach Kroatien und Israel, genießt sie einfach die andere Atmosphäre, das Licht, die südliche Natur und die Farben, die sich in jedem noch so banalen Gegenstand als kleine Sensation offenbaren. Dabei wählt sie die einfachsten Dinge, die sie zum Beispiel in einem Hotel oder einem Bed&Breakfast-Quartier umgeben. Denn nicht das Motiv ist wichtig, sondern die vitale Farbe und ihre sinnliche Schönheit, die alle müden Grautöne vertreibt.